Die Session mit Sam Rulz begann mit der Erzählung von einem Mann, der sich einen Geldsack – ganz so wie er bei Dagobert Duck vorkommt – auf seinen Hoden tätowieren ließ, und endete, nachdem in unglaublicher Präzision und Geschwindigkeit zwei neue Tattoos entstanden waren, im Beisl gegenüber – bei einem traditionell österreichischem Abendessen, das dann doch vegetarisch ausfiel. Das hat zwar nichts mit der Persönlichkeit von Sam Rulz zu tun – aber dann eben doch. Denn die geborene Neuseeländerin vereint in ihrer freundlichen, offenen und exzentrischen Art die feine Seele einer Künstlerin mit der verboten und obszön anmutenden Welt der Tattoos.
An diesem Tag darf ich einer ihrer Sessions beiwohnen und sehen, wie Sam arbeitet. Und während ich mich anfangs noch frage, wie sehr meine Anwesenheit die intime Situation mit ihrem Kunden beeinflusst und damit auch meine Fotos verändert, fällt mir auf, dass Sams Superpower wohl darin liegt sich auf alles einlassen zu können.
Während sie konzentriert 3-4 Stunden durcharbeitet, hält Sam auch das Gespräch am Laufen, erzählt Geschichten, stellt Fragen und gibt auch Persönliches Preis. Sie ist interessiert und liebt es Neues zu erfahren – ihre Kunden zu verstehen und auf diese Art selbst reicher zu werden – jeden Tag ein Stück mehr zu wachsen.
Und so vergeht die Zeit, ohne dass man es merkt. Die vielen Geschichten werden zu einem großen Fluß – einem Zeit und Ort, die man für kurze Zeit gemeinsam einnimmt und die Chance hat mit den Augen des jeweils anderen einen Blick auf die Welt zu werfen.
Ob man beim Tätowieren reich wird, hab ich Sam Rulz letztlich nicht gefragt. Im Nachhinein fällt mir auf, dass das durchaus auch eine schlagfertige Frage auf ihre erste Geschichte hätte sein können. Was ich aber weiß ist, dass ausgewählte Tattoo Künstler zumindest ein Mal im Leben einen vollen Geldsack vor sich haben – auch wenn sie ihn sich selbst zeichnen müssen.
You might also like
